Regionalausschuss beschließt einstimmig über neue Straßennamen in Barmbek und auf der Uhlenhorst

21.07.21 –

Der Regionalausschuss legte in seiner letzten Sitzung einstimmig fest, wie zwei Straßen und zwei Plätze in Barmbek und auf der Uhlenhorst künftig heißen sollen. Bürgerinnen und Bürger brachten nach einem Aufruf in den Medien viele spannende Vorschläge in die Diskussion ein. Die Politikerinnen und Politiker der Fraktionen von GRÜNEN, SPD, CDU, DIE LINKE und FDP hatten sich in einer öffentlichen Ausschusssitzung und in einer Arbeitsgruppe mit diesen beschäftigt und dann einen gemeinsamen Benennungs-Vorschlag gemacht. 


Folgende Namen werden nun dem Staatsarchiv, dass deren Eignung formal prüft, vorgelegt:
•    Der Platz im Mesterkamp-Quartier (Barmbek) wird Gerda-Kohn-Platz heißen.
•    Die Straßen im Mesterkamp-Quartier werden Mesterkamp und Ingeborg-Morgenstern-Weg heißen.
•    Der bisherige Emily-Ruete-Platz im Finkenau-Quartier (Uhlenhorst) soll den Namen 
Teressa-Platz tragen.


Nähere Informationen zu den Straßennamen finden sich unten.
Die Namen von Straßen und Plätzen dienen nicht nur dazu, diese zu identifizieren. Sie sollen auch dazu einladen, sich mit den benannten Orten zu identifizieren, lokale Ge-schichte lebendig zu halten und sich mit dem Hintergrund der Benennungen zu befassen. Viele der Vorschläge, die die Bürgerinnen und Bürger vorgelegt haben, wären diesen Ansprüchen gerecht geworden. Die Fraktionen danken allen herzlich, die dem Aufruf gefolgt sind und teils intensiv recherchiert haben.
Die getroffene Auswahl umfasst sowohl historische Ortsbezeichnungen wie Mesterkamp als auch zwei Frauen, die durch ihr Wirken Barmbek und Hamburg geprägt haben: Gerda Kohn war in Barmbek politisch aktiv und hat sich um die Arbeit mit Seniorinnen und Senioren verdient gemacht. Ingeborg Morgenstern war eine der ersten Straßenbahnfahre-rinnen in Deutschland – der Bezug zum ehemaligen Hochbahn-Betriebshof wird damit bewahrt bleiben.


Ein besonderer Fall ist der künftige Teressa-Platz auf der Uhlenhorst. Er ehrt am Ort der ehemaligen Geburtsklinik Finkenau ein Mädchen, das nur zwei Tage alt wurde – stellvertretend für hunderte weitere zu Tode gekommene Kinder von Zwangsarbeiterinnen.
Nach Prüfung durch das Staatsarchiv entscheidet der Senat abschließend über die Benennung von Straßen und Plätzen. Der nächste Termin dafür ist voraussichtlich im August. Nach der anschließenden Veröffentlichung im Amtlichen Anzeiger sind die neuen Namen dann offiziell gültig.

 

Hintergrundinformationen

Gerda-Kohn-Platz (Barmbek-Süd)
Gerda Kohn wurde 1905 in Oldenburg (Oldenburg) geboren. Nachdem sie 1911 mit ihren Eltern in das damals noch selbständige Groß-Flottbek gezogen war, verschlug es sie mit ihrer Mutter nach der Scheidung der Eltern um 1915 nach Barmbek. Nach der Volksschule absolvierte sie eine Ausbildung zur Kindergärtnerin und leitete ab 1925 verschiedene Kindertagesstätten der Arbeiterwohlfahrt. 
1930 heiratete sie Reinhard Kohn. Die beiden engagierten sich in der Barmbeker SPD und auch in der örtlichen Arbeiterwohlfahrt. Nachdem Reinhard Kohn aufgrund des NS-Gesetzes zur „Wiederherstellung des Berufsbeamtentums“ seine Beschäftigung verlor, lebte die Familie mit ihren beiden Kindern von staatlicher Unterstützung und kurzfristigen Beschäftigungen.
Nach 1945 engagierte sich Gerda Kohn beim Wiederaufbau der Arbeiterwohlfahrt, deren Distriktsvorsitzende sie wurde, und der SPD in Barmbek. Von 1957 bis 1966 gehörte sie für die SPD der Bezirksversammlung Hamburg-Nord an und war stellvertretende Vorsitzende des Ortsausschusses Barmbek-Uhlenhorst (Vorsitzender war damals die Ortsamtsleitung).
Nach dem Ausscheiden aus der Bezirksversammlung gründete sie den Altenkreis Barmbek-Nord der Arbeiterwohlfahrt und setzte sich für den Bau der Seniorentagesstätte der AWO am Habichtsplatz ein, die bis heute besteht. Den Altenkreis leitete sie bis 1988. Für ihr soziales Engagement wurden Gerda Kohn und ihr Ehemann 1984 mit der „Medaille für treue Arbeit im Dienste des Volkes" ausgezeichnet. Sie starb 1994 in Hamburg.

 
Mesterkamp (Barmbek-Süd)
Das Neubaugebiet entsteht auf dem Gelände des ehemaligen Busbetriebshofes Mester-kamp. Vor dessen Einrichtung gab es dort eine Straße namens „Mesterkamp“, die eine alte Flurbezeichnung in dieser Gegend aufgriff. Die entsprechende Benennung hält diesen historischen Namen in Erinnerung.

 
Ingeborg-Morgenstern-Weg (Barmbek-Süd)
Ingeborg Morgenstern war eine von drei Straßenbahnfahrerinnen, die 1972 von der Hamburger Hochbahn zu Busfahrerinnen ausgebildet wurden. Sie war auch eine der ersten Busfahrerinnen Deutschlands, nachdem die Hamburger Hochbahn eine Ausnahmeregelung für Frauen erzwungen hatte. 
Die Benennung der Straße setzt einen Bezug zur früheren Funktion des Areals und würdigt gleichzeitig eine Frau, die in einem männerdominierten Beruf Fuß gefasst hatte.


Teressa-Platz (Uhlenhorst)
In der ehemaligen Frauenklinik Finkenau wurden zwischen 1943 und dem Kriegsende 1945 etwa 545 Schwangerschaftsunterbrechungen bei polnischen Zwangsarbeiterinnen und sogenannten "Ostarbeiterinnen" vorgenommen. Mindestens 557 Kinder von Zwangsarbeiterinnen aus Polen, der Ukraine, Russland und Weißrussland und weitere aus den besetzten westlichen Nachbarländern kamen dort zur Welt. Es ist bekannt, dass mindestens 418 Säuglinge und Kleinkinder von Zwangsarbeiterinnen durch Vernachlässigung und an Unterernährung in Hamburger Krankenhäusern, Lagern und Unterkünften verstarben.
Teressa Scira kam am 25. Dezember 1943 in Hamburg zur Welt. Ihre Mutter Hanka Scira, geb. am 12. Januar 1913 in Kuridniki, war römisch-katholischen Glaubens und ledig. Aus ihrer Heimat Polen verschleppt, musste sie in Hamburg Zwangsarbeit leisten. Später wurde sie im Untersuchungs- bzw. Polizeigefängnis Fuhlsbüttel inhaftiert und saß dort hoch-schwanger ein. Die Haftgründe und die Dauer ihrer Haftzeit sind nicht bekannt. Am Tag der Geburt ihres Kindes wurde Hanka Scira in der Frauenklinik Finkenau, Hamburg-Uhlenhorst, aufgenommen. Dort brachte sie am 25. Dezember 1943 ihre Tochter Teressa zur Welt. Zwei Tage nach der Entbindung, am 27. Dezember 1943 um 4:45 Uhr, verstarb Teressa in der Frauenklinik Finkenau. In der Todesanzeige der Frauenklinik ist als Todesursache „Tentoriumriß“ (Einriss der Hirnhaut durch starke Verformung des Kopfes bei der Geburt) und als unterzeichnender Arzt Dr. Hoffmann angegeben. Des Weiteren ist dort über die Mutter vermerkt „ohne Erwerb“. Der Ort von Teressas Beisetzung ist nicht bekannt. Am 7. Januar 1944 wurde Hanka Scira in das Polizeigefängnis Fuhlsbüttel zurückgebracht. Ihr weiteres Schicksal ist bisher nicht bekannt.
Im Jahre 2013 traf eine kleine Abordnung des Bauprojektes „Vier für Finkenau“ mit Kindern von ehemaligen Zwangsarbeiterinnen zusammen. Sie waren auf Einladung der Stadt nach Hamburg gekommen und besuchten u.a. auch ihren Geburtsort, die ehemalige Frauenklinik Finkenau. Die zukünftigen Bewohnerinnen des Nachbargrundstückes versprachen, die Erinnerung an die Kinder von Zwangsarbeiterinnen wachzuhalten.
Stellvertretend für alle oben genannten Kinder und im Gedenken an sie soll der Platz den Namen TERESSA-PLATZ erhalten. Mit der Namensgebung kann das Versprechen des Bauprojekts in besonderer Weise eingelöst werden. Dieses Anliegen unterstützen die Fraktionen im Regionalausschuss.
 

Anlagen:

Drucksache: sitzungsdienst-hamburg-nord.hamburg.de/bi/vo020.asp

 

Karten: Lage des Teressa-Platzes und

der Straßen im Mesterkamp-Quartier

 

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