Bodenknappheit in Großstädten - Effiziente Nutzung, neue Konzepte und visionäres Denken

Gesprächsrunde auf Einladung der GRÜNEN Fraktion Hamburg-Nord, aufgezeichnet am 9.8.2021

24.09.21 –

Gesprächsrunde auf Einladung der GRÜNEN Fraktion Hamburg-Nord, aufgezeichnet am 9.8.2021

Immer mehr Menschen ziehen nach Hamburg. Allein In Hamburg-Nord ist die Einwohnerzahl in den vergangenen Jahren um 3.000 Personen pro Jahr gestiegen. Alle diese Menschen brauchen ein Dach über dem Kopf, doch der Platz ist knapp. Wohnraum, Verkehrsinfrastruktur, kulturelle und soziale Einrichtungen, Grünflächen und Versorgungsinfrastruktur konkurrieren um die Ressource Boden.
In einer Diskussionsrunde zum Thema Bodenknappheit sprach Timo B. Kranz, Vorsitzender der GRÜNEN Fraktion Hamburg-Nord, mit dem Bezirksamtsleiter Michael Werner-Boelz, der Stadtplanerin Janne Lentz, Malte Siegert vom NABU Hamburg und dem New Yorker Klimaökonom Gernot Wagner über Zielkonflikte, Visionen, effiziente Bodennutzung und die Möglichkeiten der Politik.

Die Veranstaltung in voller Länge gibt es zum Nachschauen auf unserem YouTube-Kanal. Hier haben wir einige interessante Zitate und Thesen zusammengefasst:

Bedürfnisse aus planerischer Sicht

„Wir leben heute noch in den Überresten der verkehrs- und Stadtplanung der 60er Jahre, der autogerechten Stadt. Wir haben immer noch vierspurige Straßen mit hubbeligen Fahrradwegen, die zwischenzeitlich eingefügt wurden. Aber das entspricht in vielen Fällen gar nicht mehr den Bedürfnissen, die wir heute haben. Aber die Menschen sind es so gewohnt, dass sie das nicht ändern wollen. Deshalb müssen Planer*innen utopisch denken.“ 
Janne Lentz, Stadtplanerin

„In einer Stadt wie New York ist der Platz knapp und es gibt viel zu viel Fläche für den Individualverkehr. Jede Straße hat zwei bis drei Spuren, jede Avenue hat vier bis sechs Spuren. Es geht tatsächlich darum, diese Flächen viel effizienter zu nutzen. Das Problem ist, dass wir oft von Stadt sprechen, aber eigentlich Vororte bzw. Vorstädte meinen. Es geht auch darum, dass jemand, der als Städter in der Stadt wohnt, im Prinzip ohne Auto auskommt. Deshalb geht es um die Vision. Es geht um langfristige Planung. Es geht darum, die nächste Jungfamilie dazu zu motivieren, in der Stadt als Stadtmensch wohnen zu wollen. Anstatt das Ziel des Einfamilienhauses draußen auf dem Land. Da müssen politische Entscheidungen jetzt getroffen werden, die sich erst in den nächsten 10, 20 oder 30 Jahren auf das Leben der Menschen auswirken werden.“
Gernot Wagner, Klimaökonom an der New York University


Effiziente Nutzung von Flächen

„Zwei Punkten müssen in Sachen Flächeneffizienz beachtet werden: Das eine ist Fläche im räumlichen Sinne, das andere ist Zugang und faire Verteilung von Flächen. Wir sprechen davon, wie viel Fläche der Autoverkehr einnimmt, wir reden aber nicht davon, wieviel das eigentlich kostet und wer das alles mitträgt. Die Infrastruktur für den Autoverkehr finanzieren viele Menschen ohne Auto mit. Auch das hat etwas mit Flächeneffizienz zu tun.“
Janne Lentz, Stadtplanerin

„Die Flächeneffizienz für Naturräume ließe sich steigern, indem ich mir Areale anschaue, die noch zur Verfügung stehen, über die eigentlich kaum jemand redet. Der Kleine Grasbrook zum Beispiel. Da wird jetzt der Nord-Osten bebaut. Da stellt sich die Frage, warum der Rest des Areals nicht auch bebaut wird. Da gibt es viele Zielkonflikte mit dem Hafen. Aber man kann auch die Frage stellen: ´Muss eigentlich östlich des alten Elbtunnels überhaupt noch Hafenwirtschaft stattfinden?` Das sind riesengroße Potenziale, die man eigentlich nutzen könnte. Denn die Flächeneffizienz im Hamburger Hafen ist schlecht. Wenn man sieht, dass ein Quadratmeter Pachtfläche im Hamburger Hafen im Durchschnitt 3,50 Euro kostet – im Jahr – dann ist ja völlig klar, dass die Unternehmen, die da Flächen pachten, kein Interesse daran haben, effizient mit dieser Fläche umzugehen.“
Malte Siegert, Vorsitzender NABU Hamburg 

Diekmoor – Potenziale und Probleme

„Wenn die Ressourcen (Platz) knapper werden, wird klar, dass ein erheblich gesteigerter Planungsaufwand entsteht. Darauf muss man entsprechend reagieren. Am Beispiel Diekmoor, der letzten großen Wohnungsbaupotenzialfläche im Bezirk Hamburg-Nord, zeigt sich das beispielsweise: Dort wollen wir rund 700 Wohneinheiten errichten. 60 Prozent gefördert, 300 Wohnungen der städtischen Wohnungsbaugesellschaft SAGA – also wirklich bezahlbarer Wohnraum. Dort wollen wir auch durchaus so etwas wie ein ökologisches Musterquartier mit Holzbauweise und ähnlichem errichten. Dafür müssen Kleingartenflächen verlagert und neu strukturiert werden. Allein um diese Flächen neu aufzuteilen, braucht man entsprechende personelle Ressourcen, die über einen langen Zeitraum damit befasst sind, diese Aufteilung vorzunehmen und zu begleiten.“
Michael Werner-Boelz, Bezirksamtsleiter Hamburg-Nord

„Es ist eine schwierige Abwägung zwischen ökologischen- und Artenschutzinteressen auf der einen Seite aber auch sozialen Interessen und unserem Wunsch, dass innerhalb der Stadt möglichst im besiedelten Raum verdichtet wird und nicht weiter auf der grünen Fläche.“
Malte Siegert, Vorsitzender NABU Hamburg

 

Unsere Gäste:


Janne Lentz
ist Organisatorin des PlanerInnentreffen Hamburg, bei dem sich Studierende der Stadt- und Raumplanung austauschen. Nach einem Bachelor Stadtplanung an der HafenCity Universität studiert sie derzeit im Master an der Erasmus Universität Rotterdam "Urban Management and Development".

Malte Siegert
ist seit einem Jahr hauptamtlicher Vorsitzender des Nabu Hamburg und vertritt damit die über 27.000 Mitglieder des Verbands in der Hansestadt. Er ist seit 18 Jahren in verschiedenen Funktionen im Nabu tätig.

Gernot Wagner
unterrichtet und forscht seit 2019 als Klimaökonom an der New York University, zuvor war er an der Harvard University tätig. Sein Buch „Klimaschock“ war Wissenschaftsbuch des Jahres 2017, 2021 erschien mit „Stadt, Land, Klima“ sein neuestes Werk, in dem er den Städten eine Schlüsselrolle im Kampf gegen die Klimakrise attestiert.

Michael Werner-Boelz
leitet seit Anfang 2020 das Bezirksamt Hamburg-Nord, zuvor war er neu Jahre lang Vorsitzender der GRÜNEN Fraktion in der Bezirksversammlung. Ein Interview mit ihm in der Welt am Sonntag führte Anfang des Jahres zu bundesweiten Debatten über Einfamilienhäuser.

Timo B. Kranz
ist seit Anfang 2020 Vorsitzender der GRÜNEN Fraktion in der Bezirksversammlung. Der Langenhorner Unternehmer ist auch stadtentwicklungspolitischer Sprecher seiner Fraktion.

Hier geht’s zum Video
 

Aufzeichnung der Veranstaltung: www.youtube.com/watch

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