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GRÜNE und SPD in der Bezirksversammlung Hamburg-Nord schlagen vor, den Alsterdorfer und Groß Borsteler Teil der Hindenburgstraße nach Traute Lafrenz zu benennen. Die Hamburgerin spielte in der NS-Zeit eine entscheidende Rolle bei der Vernetzung zwischen dem Hamburger Zweig und den Münchner Mitgliedern der Widerstandsgruppe „Weiße Rose“ um Hans und Sophie Scholl. Die Hindenburgbrücke soll ebenfalls ihren Namen tragen.
Der Winterhuder Teil soll komplett nach Otto Wels benannt werden – derzeit ist dies nur im Bereich des Stadtparks der Fall. Einen entsprechenden Antrag der Mehrheitsfraktionen berät die Bezirksversammlung am Donnerstag ab 18 Uhr in ihrer öffentlichen Sitzung.
Timo B. Kranz (GRÜNE), Fraktionsvorsitzender: „Wir beenden mit der Benennung nach Traute Lafrenz nach nunmehr fast 100 Jahren endgültig das Kapitel ‚Hindenburg‘ im Straßenraum. Gerade jetzt, wo rechte und rechtsextreme Kreise offen nach der Macht greifen, ist es wichtig, Haltung zu zeigen. Mit unserem Vorschlag beziehen wir Stellung gegen Antisemitismus, Rassismus, Menschenfeindlichkeit und Nationalismus. Denn Hamburg ist eine weltoffene, engagierte Stadt, in der Vielfalt und der Schutz der Menschenrechte einen hohen Stellenwert habe.
Mit Traute Lafrenz haben wir eine würdige Person gefunden, die heutigen und künftigen Generationen als gutes Vorbild dienen kann.“
Lena Otto (SPD), Fraktionsvorsitzende: „Dass so viele Vorschläge für die Umbenennung der Hindenburgstraße eingegangen sind, hat uns sehr gefreut. Mit Traute Lafrenz ehren wir eine außergewöhnliche NS-Widerstandskämpferin, die einen eindeutigen Gegensatz zu Hindenburg darstellt.
Durch die Verlängerung der Otto-Wels-Straße bis zum U-Bahnhof Alsterdorf schaffen wir auch mehr Sichtbarkeit für den mutigen Sozialdemokraten, der mit seiner beeindruckenden Rede gegen das Ermächtigungsgesetz 1933 für 13 lange Jahre die letzten freien Worte in einem deutschen Parlament sprach.“
Der Antrag wird in öffentlicher Sitzung der Bezirksversammlung am Donnerstag, 11.4.2024 ab 18 Uhr beraten.
Hintergrund
Traute Lafrenz besuchte in Hamburg die Lichtwarkschule (heute: Heinrich-Hertz-Schule). Sie war unter anderem mit ihrer Mitschülerin Margaretha Rothe Teil eines Widerstandskreises, der nach dem Krieg als Hamburger Zweig der Widerstandgruppe „ Weiße Rose“ bezeichnet wurde.
Im Mai 1941 ging Traute Lafrenz an die Universität München und lernte dort Christoph Probst und Hans Scholl kennen. Sie nahm an viele Gesprächen und Diskussionen der Widerstandsgruppe „ Weiße Rose“ teil, an denen auch Sophie Scholl beteiligt war, Die Freunde trafen sich im kleinen Kreis Gleichgesinnter, darunter auch Willi Graf, Raimund Samüller, Herbert Furtwängler, Alexander Schmorell, Christoph Probst.
Ab Sommer 1942 erschienen Flugblätter, die bei den Deutschen das Bewusstsein über die Unrechtmäßigkeit des NS Regimes und die Grausamkeit des Krieges wecken sollten. Traute Lafrenz sorgte mit für deren Verteilung. Und brachte im November 1942 das dritte Flugblatt der „Weißen Rose“ nach Hamburg Sie stellte mit ihren Informationen über die Münchner Widerstandsaktivitäten die Verbindung zwischen der Münchner „Weißen Rose“ und den Hamburger Aktivitäten her. Der Hamburger Kreis übernahm die Verteilung der Flugblätter von Hamburg aus auf ganz Norddeutschland.
Nachdem am 18. Februar 1943 Hans und Sophie Scholl beim Auslegen des 6. Flugblattes der Weißen Rose in der Münchner Universität verhaftet worden waren, warnte sie noch andere Mitglieder und beteiligte sich an der Säuberung von Scholls Wohnung von weiteren Beweisen gegen die Geschwister. Am 15. März 1943 wurde sie ebenfalls verhaftet und in der Folge zu einer zwölfmonatigen Zuchthausstrafe verurteilt. Nach ihrer Entlassung wurde sie erneut verhaftet. Sie kam in das Polizeigefängnis Hamburg-Fuhlsbüttel und geriet über Stationen in Cottbus und Leipzig-Meusdorf schließlich in das Zuchthaus St. Georgen in Bayreuth. Dort wurde sie am 15. April 1945 von amerikanischem Truppen befreit.
Nach Kriegsende nahm Traute Lafrenz das Medizinstudium wieder auf und zog 1947 in die USA, wo sie ihr Studium abschloss und 1949 den Arzt Vernon Page heiratete, mit dem sie vier Kinder bekam. Sie arbeitete von 1972 bis 1994 als Leiterin der heilpädagogischen Tagesschule „Esperanza“ für Kinder mit geistiger Behinderung. Nach ihrer Pensionierung lebte sie bis zu ihrem Tode mit ihrem Ehemann, der 1995 verstarb, in einem Haus neben dem ihrer Tochter Renee Meyer in South Carolina.
2009 wurde Lafrenz in Hamburg die Herbert-Weichmann-Medaille verliehen und 2019 der Bundesverdienstorden 1. Klasse. In der Pressemitteilung zur Verleihung heißt es:
„Traute Lafrenz Page gehörte zu den Wenigen, die angesichts der Verbrechen der Nationalsozialisten den Mut hatten, auf die Stimme ihres Gewissens zu hören und sich gegen die Diktatur und den Völkermord an den Juden aufzulehnen. Sie ist eine Heldin der Freiheit und der Menschlichkeit. Die bald Hundertjährige ist ein Vorbild für junge Menschen, sich auch heute für die Demokratie zu engagieren.“
Paul von Hindenburg bekam bereits 1917 die Hamburger Ehrenbürgerschaft übertragen. Nachdem er zum Reichspräsidenten gewählt worden war, wurde von Hindenburg in Hamburg 1926 auch mit der Benennung einer Straße und einer Brücke im heutigen Bezirk Hamburg-Nord geehrt. Ein erster Versuch der Umbenennung scheiterte 1988 an der Ablehnung des Senatsamtes für Bezirksangelegenheiten. 2013 folgte ein Anlauf zur Aberkennung der Ehrenbürgerwürde und erneut zur Umbenennung der Hindenburgstraße. Letztlich wurde als Kompromiss die Umbenennung des südlichen, im Stadtpark gelegenen Teils in „Otto-Wels-Straße“ umgesetzt.
Anlage
• Antrag
• Foto: Timo B. Kranz und Lena Otto benennen symbolisch die Hindenburgstraße in Alsterdorf um (Reiffert/GRÜNE Fraktion Nord)
• Traute Lafrenz im Alter von 100 Jahren ©Tomas Kittan&/BZ Berlin
Fotos sind kostenfrei verwendbar bei Nennung der Urheberin und im Zusammenhang mit einer Berichterstattung über die GRÜNEN/die SPD.
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Kategorie
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