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Der zuständige Regionalausschuss hat in seiner Sitzung am 10.07.2023 auf Antrag der Fraktionen von GRÜNEN, SPD, DIE LINKE und FDP beschlossen, die Umbenennung von drei Straßen in Ohlsdorf vorzuschlagen.
Die Vorschläge werden nun vom Staatsarchiv formal und inhaltlich geprüft und zur Entscheidungsfindung voraussichtlich im November der Senatskommission für Straßenbenennungen vorgelegt. Vorangegangen war eine mehrjährige teils intensive Diskussion über die Notwendigkeit einer Umbenennung und mögliche neue Namen.
Mit den nun gewählten Namen werden erstmals in Hamburg zwei Opfer des deutschen Kolonialismus und ein aus den ehemals deutschen Kolonien stammender Kämpfer gegen die Unterdrückung gewürdigt.
Dazu erklären die Fraktionen von GRÜNEN, SPD, DIE LINKE und FDP in Hamburg-Nord gemeinsam:
„Wir bedanken uns herzlich bei den Verbänden der Nachkommen der Kolonialisierten und der Opfer des Völkermordes sowie dem Arbeitskreis HAMBURG POSTKOLONIAL, von denen die Initiative zur Umbenennung ausging und allen, die sich an der Findung der neuen Namen beteiligt haben. Wir sind sehr froh, dass wir dazu beitragen können, dass bald rassistische Kolonialverbrecher nicht mehr mit Straßennamen geehrt werden und sie nicht mehr von Rechten für ihre ideologische Umdeutung missbraucht werden können. Es ist gut, dass das Ohlsdorfer Stadtteilbild der Vielfalt, der Willkommenskultur, dem Demokratie- und Rechtsverständnis unserer Gesellschaft nicht länger in eklatanter Weise widerspricht.
Dass vier von fünf Fraktionen den Antrag zur Umbenennung stellten, ist ein starkes Zeichen für den politischen Rückhalt dieses Antrages. Wir hoffen sehr, dass auch die restlichen kolonialbelasteten Straßen in anderen Stadtteilen umbenannt werden und wünschen den zuständigen Regionalausschüssen so engagierte Initiativen und Gruppen, wie wir sie zum Glück hier haben“.
Für die GRÜNE Fraktion: Nadja Grichisch
Für die SPD-Fraktion: Karin Ros
Für die Fraktion DIE LINKE: Rachid Messaoudi
Für die FDP-Fraktion: Robert Bläsing
Hintergrund
Kolonialismus gehört zur Geschichte Hamburgs und spiegelt sich deshalb auch im Stadtbild wider. Verstöße gegen universelle Menschenrechte können keinen Grund für Ehrungen in Form von Straßenbenennungen darstellen. 2016 machte der AK HAMBURG POSTKOLONIAL, damals in Zusammenarbeit mit der Willi-Bredel-Gesellschaft Geschichtswerkstatt e. V., mit einer Veranstaltung im Grünen Saal auf kolonialbelastete Straßennamen im Stadtteil Ohlsdorf aufmerksam. Gefordert wurde, dass nicht aus der Perspektive der Täter, sondern aus der Perspektive der Opfer des kolonialen Unrechts oder der im antikolonialen Widerstand Kämpfenden geehrt und somit an die Geschichte aus deren Perspektive erinnert werden solle und folglich die Straßen umzubenennen seien. Ein entsprechender Antrag der Fraktion DIE LINKE fand damals noch keine Mehrheit.
Der AK HAMBURG POSTKOLONIAL, in dem auch Vertreter*innen der Schwarzen Communities und Verbände der Schwarzen Menschen und People of Color mitarbeiten, ließ nicht nach, es fanden weitere Aktionen im Stadtteil Ohlsdorf statt. 2019 unternahm die Fraktion DIE LINKE einen weiteren Versuch, eine Mehrheit für die Umbenennung der kolonialbelasteten Straßen zu erhalten. Dieser war erfolgreich, und so wurde einstimmig beschlossen, eine Umbenennung der Straßen Woermannsweg, Woermannstieg und Justus-Strandes-Weg vorzuschlagen. Nach positiver Rückmeldung durch das Staatsarchiv bzw. der zuständigen Behörde für Kultur und Medien rief der Regionalausschuss öffentlich dazu auf, Namensvorschläge einzureichen. Wichtig dabei war, dass die Geschichte durch einen dekolonialen Perspektivwechsel forterzählt werden sollte.
Eine öffentliche Sitzung des zuständigen Regionalausschusses in Ohlsdorf bot – coronabedingt erst am 17.04.2023 – die Möglichkeit, Vorschläge vorzustellen und zu diskutieren. Viele Menschen nutzten diese Gelegenheit.
Auf Grundlage dieser Sitzung berieten sich die Fraktionen von GRÜNEN, SPD, DIE LINKE und FDP und erarbeiteten einem gemeinsamen Antrag mit Vorschlägen für die künftigen Straßennamen.
Kurzbiografien der neuen namensgebenden Personen
Louisa Kamana
Die Tochter des Ovaherero-Chiefs Kamana und Schwiegertochter des Chiefs Zeraua aus Otjimbingue/Namibia wurde 1903 gemeinsam mit ihrem Baby von einem deutschen Händler erschossen, nachdem sie sich dagegen gewehrt hatte, dass er versuchte, sie zu vergewaltigen. Erst nach massiven Protesten der Ovaherero wurde der Mörder für schuldig befunden und zu drei Jahren Haft verurteilt. Doch dann wurde er schnell zurück nach Deutschland geschickt, wo er auf freien Fuß kam.
Unter den Ovaherero gelten diese beiden Morde sowie die vielen weiteren Fälle sexualisierter Gewalt gegen Frauen als zentrale Impulsgeber für ihren Krieg gegen die deutsche Kolonialherrschaft.
Cornelius Fredericks
Er gehört zu den großen Persönlichkeiten des militärischen Widerstandes gegen die deutsche Kolonialherrschaft in Namibia. Er und die mitkämpfenden Namakapteine verwickelten die „Schutztruppe“ in einen lang andauernden Guerillakrieg. Erst 1906 konnten die Deutschen Fredericks zur Kapitulation zwingen. Er starb aufgrund unmenschlicher Haftbedingungen in einem Konzentrationslager an der südnamibischen Küste.
Jagodja
In der Kolonie Deutsch-Ostafrika war die junge Frau eine von vielen – auch minderjährigen – Zwangsgeliebten des Kolonialisten Carl Peters. Als dieser 1892 vermutete, dass Jagodja ein Verhältnis mit seinem Diener Mabruk habe, ließ er diesen kurzerhand hinrichten. Jagodja floh daraufhin mit anderen Frauen zu Malamia, dem Chief der Wachagga, doch Peters schickte seine Soldaten aus, um Malamias Dorf niederzubrennen. Jagodja wurde ausgeliefert und ausgepeitscht; ein zweiter Fluchtversuch misslang. Als „Abschreckung“ wurde sie über dem Eingangstor der befestigten Station erhängt. Ihr Schicksal steht exemplarisch für die breit angelegte sexualisierte Gewalt hoher Kolonialbeamter. Nicht selten mussten die Vergewaltigten mit ihrem Leben bezahlen.
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